8 zu 1 - Warum es acht Personen braucht, um einen Tisch zu genehmigen
/Der Spruch “Wer glaubt, dass ein Amtsleiter ein Amt leitet, der glaubt auch, dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet” 😉 hab ich als Privatperson schon in vielen Situationen für sehr passend gefunden.
Und ich muss sagen, seit dem ich Gastronom bin, hab ich lernen dürfen, dass öffentliche Behörden da noch eins draufsetzen können. In den meisten Fällen kann ich die zahlreichen Amtsgänge, die man als Wirt absolvieren muss, zumindest nachvollziehen.
Die Prozesse sind nicht immer ganz logisch, aber fügt man sich drein, dann kommt man mit etwas Geduld und viel, viel Zeit, meist irgendwann zur nötigen Genehmigung. Dass das schließlich klappt, liegt meist am Engagement netter Beamte, die ich auf diesem Weg kennenlernen durfte! Manche sind äußerst bemüht und extrem löstungsorientiert und finden dann einen Weg, den Amtsschimmel zu verstehen. Das freut!
Und gerade, als man verleitet ist, zu denken, dass die Behörden der Stadt Wien wesentlich besser und effektiver arbeiten, als ihr Ruf ihnen vorauseilt, packt’s einen und man wird eines Besseren belehrt. 😉
In einem Frühjahr hatten wir eine solche Begebenheit. Es gab dazumals einen sehr freundlichen, aber durchaus beflissenen Beamten, der eigens dazu abgestellt war, die Beschilderungs-Situation der Wiener Wirtschaftreibenden im 4. und 5. Bezirk zu erheben (inzwischen scheint er aufgrund vieler Beschwerden wieder etwas mehr seinen Schreibtisch zu hüten …).
So kam er auch zu uns auf die Wieden und hielt alles penibel fest:
Welche Schilder wir wo montiert hatten,
welche Bewilligungen es gab und was fehlte.
Er war äußerst zuvorkommend und informierte uns, was wir beantragen bzw. neu bewilligen lassen müssten. Hatte die Formulare gleich mit und auch eine - man höre und staune - E-Mail-Adresse parat, unter der man ihm jederzeit schreiben könne. Und dann nahm er’s ganz genau und meinte:
Ich dachte mir:
“OK. Hinterfrag nicht lange, mach es einfach. Denn ich hab mich so an den Tisch - ein “Erbe” der Firma Naber - gewöhnt. Er passt mit seinem abgeschlagenen Eck einfach wunderbar in das denkmalgeschützte Ambiente unseres Cafés. Also, was soll’s - füll ich halt auch für diesen einen Tisch ein Formular aus. Weil’s eh schon Wurscht ist” … ich hatte ja gerade Übung darin. Gesagt, getan, ritt ich sozusagen auf den Flügeln des Amtsschimmels und sendete gleich noch am selben Tag das Antragsformular an die zuständige Behörde.
Begehung “Winterschanigarten”
Ein paar Wochen später staunte ich dann nicht schlecht, als ich ein Schreiben erhielt, das sage und schreibe einen Termin mit ACHT Personen ankündigte, um unseren “Winterschanigarten” zu begehen. Zuerst wusste ich gar nicht, was gemeint war. Bis mir beim näheren Durchlesen dämmerte, das es sich wohl um den einzelnen Marmorstehtisch handeln müsste.
Das Gremium der Acht - wir nennen Sie (in Anlehnung an “Herr der Ringe”) heute noch liebevoll die “Gefährten des Winterschanis” - setzte sich aus folgenden Behörden & “Institutionen” zusammen:
2 Schanigarten-Magistratszusständige (Hauptansprechpartner & Assistenz?)
1 Zuständiger für Gehsteig & Garten
1 Zuständiger für Luftrechte
1 Zuständiger vom Bezirksamt
Zwei Polizisten (die werden vom Amt informiert und müssen bei jeder Begehung dabei sein. Stell ich mir unglaublich mühsam vor)
Vertreter vom Hausbesitzer
(Es könnte sein, dass ich die Zuständigkeiten nicht mehr komplett richtig erinnere und sie anders aufgeteilt waren. Die Vorstellungsrunde verlief sehr schnell und wie man weiß, sind Männer eher stark mit dem Kurzzeitgedächtnis …)
Jedenfalls “ritten” alle acht Personen überpünktlich zum besagten Termin ein. Ohne physischen Amtsschimmel, aber im Gedankengut und Sprache war er gut erkennbar 😉. Ich wusste nicht: soll ich lachen oder weinen. Denn wer das mit seinen Beiträgen und Umlagen alles bezahlte, ist ja klar: Die Steuerzahler, private wie geschäftstreibende. Sofort wollte ich fragen: Warum besichtigen ACHT Personen EINEN Stehtisch?!? Was tun sie dann bei einem normal großen Schanigarten? Kommt da etwa eine Hundertschaft? Die Frage brannte mir auf der Zunge, denn würde man als Selbständiger so verschwenderisch mit Ressourcen umgehen, dann hätten wir bald Konkurs …
Aber schnell stellte sich heraus, dass die Haupträdelsführerin, die Magistratszuständige, offenbar nicht ihren besten Tag hatte. Sie kommandierte recht sauer und herrisch mit mir herum, als ich die Unterlagen aus diversen Ordnern zusammensuchte, die sie verlangte. Ich biss mir auf die Zunge und schluckte mein Kommentar runter. Sie war augenscheinlich auf Kriegspfad.
Der Ton wurde allerdings immer schärfer. Das veranlasste einen der Hausbesitzer sich - im übertragenden Sinn - schützend vor mich zu stellen. Als ich ins Café ging (um ein paar Unterlagen zu holen) nahm er offenbar die Beamtin mal kurz auf die Seite, um ihr mit freundlichen, aber sehr deutlichen Worten klarzumachen, dass - wenn es solche Wirtschaftstreibenden wie mich nicht gäbe - solche Einkaufsstraßen wie die Wiedner Haupstraße bald verwaisen würden. UND: sie gar keinen Job hätte. Er bat sie, einen etwas freundlicheren Ton anzuschlagen.
Verlorene Unterlagen
Von dem bekam ich allerdings erst später erzählt. Und auch davon, dass das Amt offenbar selbst bei einem großen Umzug sämtliche Unterlagen !!verloren!! hatte. Sie fragten deshalb so genau nach den Unterlagen. Denn sie wüssten nicht mehr, was auf der Wiedner Hauptstraße genehmigt sei, und was nicht …
Da war ich kurz fassungslos:
Sie verlieren die Papiere und gingen mich “schräg” an! Und natürlich brannten gleich die nächsten Fragen unter den Nägeln: “Warum werden relativ junge Unterlagen (unser Café gibt’s ja erst seit 5 Jahren) im Amt heutzutage nicht elektronisch gesichert, sondern noch in Papierform in Kartons gelagert? Schreiben wir nicht das 21. Jahrhundert und alle sind digital bzw. reden zumindest von Digitalisierung? Schließlich nutzen die Politiker jede mediale Bühne, um zu betonen, sie sei DER Schlüssel zur Sicherung des österreichischen Wirtschaftsstandortes”. Aber offenbar (noch) nicht in jedem Amt …
Tja, wie dem auch sei. Auch das schluckte ich hinunter. Denn schließlich wollte ich weiter zum nächsten Kundentermin und mich nicht mit sinnlosen Behörden-Diskussion aufhalten - wegen EINES Tisches. Hab ja meine Zeit auch nicht gestohlen. Man könnte sagen: Kundenorientierung siegte über meine Neugier. Kommt selten vor, aber in diesem Fall war’s sicher besser so 😉.
Lange Geschichte, kurzer Sinn: Mein “Klappe halten” zahlte sich aus und “nur” 2 Monate! später bekamen wir unseren sogenannten Winterschanigarten auf 3 Jahre genehmigt. Und man ahnt bereits heute, wie’s weitergeht: Nach Ablauf besagter Frist wird dann auf der Wiedner Hauptstraße 40 wieder eine 8er-Mannschaft zur erneuten Besichtigung zu sehen sein. Ein Schalk, wer Böses dabei denkt …
Also liebe Leute lasst Euch sagen, der bekannte Spruch “Formulare, Formulare - von der Wiege bis zur Bahre” gilt für Wirte doppelt und dreifach. In diesem Sinne wünsche ich uns allen weiterhin viiieeeeel Geduld mit dem Amtsschimmel!
Euer Patrick Schönberger, Euer Kaffeegreissler