Café à la Girafe
/Von der Giraffe zum Kaffee
Der Ausdruck "Café à la Girafe" hat zwei Bedeutungen:
Traditionell wird er als Alternative zum französischen "Café au Lait" bzw. den bei uns in Österreich üblichen “Großen Braunen” oder der Wiener Melange verwendet.
Andrerseits hat "Café à la Girafe" auch eine modernere Bedeutung. Seit rund 15 Jahren verwenden ihn bestimmte Kaffee-Experten-Kreise (3rd Wave-Kaffeesieder) als Alternativausdruck für die "helle Röstung". Kaffee also, der weniger lange in der Trommel geröstet wird (rund 12 Minuten bei ca. 218°C). Im Vergleich dazu werden die bei uns beliebteren dunklen, schokoladigen Kaffees rund 18 Minuten bei ca. 225°C geröstet.
Woher der Begriff Café à la Girafe kommt
Der Begriff stammt aus der Modewelt von 1826: Er charakterisiert die Farbe des Fells der Giraffen: also dunkelbraun über hellbraun bis hin zu gelb und beige. Die Geschichte dazu geht so:
Mitte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts war es bei allen europäischen Königshäusern sehr in Mode, sich exotische Tiere ins Haus kommen zu lassen. Sie dienten zur Machtdemonstration - Luxus pur - und zum Studium sowie zur Unterhaltung. So wurde zum Beispiel in Österreich 1752 anlässlich eines Besuchs Kaiser Franz I. Stephan der offizielle Grundstein für den Tiergarten Schönbrunn gelegt. Davor hatte ja bereits Prinz Eugen im rechten oberen Teil des Schloss Belvedere Tiere gehalten.
Zu diesem Zeitpunkt schrieb man Giraffe noch mit einem “f”. Daher wird das Kaffee-Original auch noch so geschrieben.
Franzosen als Trendsetter
Wie in vielen Bereichen damals - beispielsweise in der Landwirtschaft, Kriegstaktik, Kochkunst, Handwerkstechniken von Gerber-, Textil- oder Uhren- und Schmuckverarbeitung - agierten die Franzosen als Vorbild und waren bei vielen Entwicklungen stets einen Tick früher dran. So auch bei der Mode.
Und so kam es, dass - als im Oktober 1826 die allererste Giraffe in Europa, im Hafen von Marseille, einlief - ein Geschenk vom Vizekönig Ägyptens Muhammad Ali an den französischen König Charles X - Menschenmassen in Begeisterung verfielen. Dieses exotische Wesen faszinierte die Menschen derart, dass abgesehen von zahlreichen "Besichtigungen" der Giraffe auf Ihrem Weg von Marseille nach Paris zahlreiche Ideen gesponnen wurden. Auf diese Weise fand die Giraffe den Eingang in die Mode. Der Gelbton "Girafe" war geboren. Jede/r der/die es sich leisten konnte, kaufte ab diesem Zeitpunkt Textilien in Giraffen-Farbtönen: Vorhänge, Teppiche und natürlich auch Kleidung. Man sagte, er verleiht Ausdruck von Grazilität, Exklusivität, Stil und Luxus.
Der Wiener Hof wollte dem französischen um Nichts nachstehen: bereits 1828 folgte Kaiser Franz I. dem Trend und ließ die erste Giraffe nach Wien bringen. Heute sieht man in Schönbrunn noch die alten Gehege von damals ausgestellt. Viel Platz war da nicht für ein Tier, das eigentlich gewohnt ist, sich kilometerweit in großen Steppen zu bewegen ... vom einengenden Gedanken also perfekt passend in die Biedermeier-Zeit.
Grundsätzlich war es nicht zum ersten Mal, dass ein exotisches Tier in die Mode Einzug hielt. Vor der Giraffe war es 1749 das Rhinozeros - mode au rhinocéros - und 1786 war es das Zebra: mode au zèbre. Man könnte diese Trends vergleichen mit Fashion Looks, die wir heute kennen, wie zum Beispiel den "20er Jahre Look", "Marines-Look", "Vintage Look", "Bohemien Look", “Military Look”, etc.
Da die Giraffe ein sehr graziles und elegantes Tier ist, hat sich der Ausdruck "mode à la girafe" in französischen Modekreisen bis heute gehalten. Gleiches gilt auch für mode au zèbre. Hingegen spricht heute keiner mehr von mode au rhinocéros. Ich denke, das würde man heute eher als Beschimpfung verstehen 😉.
In diesem Sinne:
Immer wenn ihr einen großen Braunen oder einen Café au Lait trinkt, dann denkt an die wunderbaren Giraffen, die eine Zeit lang dafür Namensvetter waren.
Euer Patrick Schönberger, euer Kaffeegreissler
PS: Mehr Kaffeerezepte findet ihr hier: Schönbergers Kaffeerezepte